Wenn das Programm „Willkommen im Fußball“ Ende 2021 nach sechs Jahren seinen Abschluss findet, können die Verantwortlichen stolz auf 23 Erfolgsgeschichten zurückschauen: So viele Partnerschaften haben sich bundesweit in dieser Zeit entwickelt. Darunter das Bündnis in Freiburg, das Anfang Juli 2021 bei einer digitalen Abschlussveranstaltung die gemeinsamen Aktivitäten resümierte – und auch Perspektiven für die Zeit danach erörterte. Der Wunsch, die erfolgreiche Zusammenarbeit in anderer Form beizubehalten, war allen anzumerken.
Die Kernidee von „Willkommen im Fußball“, jungen Geflüchteten bis 27 Jahren den Zugang zu Sport und Bewegung durch niedrigschwellige Angebote zu erleichtern, wurde durch die Bündnispartner:innen vor Ort mit Leben gefüllt. Die bestanden in der Regel aus einem Profi-Fußballclub, lokalen Bildungsträger:innen, bürgerschaftlichen Initiativen oder kommunalen Akteur:innen und Amateurfußballvereinen. In Freiburg kooperierten der Sport-Club Freiburg e.V., die step stiftung, der Polizei-Sportverein Freiburg e.V., die Stadt Freiburg sowie bis 2020 die Badische Sportjugend Freiburg.
Franziska Fey, Vorstandsvorsitzende der DFL Stiftung, betont, es habe das Netzwerk immer stark gemacht, dass alle Player die eigenen Erfahrungen einbringen konnten. Fußball sei dabei der Motivator gewesen, ein Miteinander jenseits aller Unterschiede zu ermöglichen.
Neben der vertrauensvollen, produktiven Zusammenarbeit der Bündnispartner:innen war am Standort Freiburg die Einbindung von lokalen Akteur:innen wie Schulen, Kitas und Vereinen besonders intensiv. So konnten auch Menschen erreicht werden, die ohne diese Kooperationen keinen Zugang zu den angebotenen Trainings gefunden hätten. Dieser Netzwerkgedanke deckt sich mit der partizipativen Philosophie der step stiftung, erklärte der geschäftsführende Vorstand Dr. Berndt Tausch: „Um möglichst viele Kinder und Jugendliche an den Angeboten teilhaben zu lassen, sind agile Partnerschaften sehr wichtig. Getragen von gegenseitiger Wertschätzung konnten wir Stärken bündeln und auf Bedarfe dynamisch reagieren.“
Auch steht gerade diese Vernetzung sinnbildlich dafür, was mit „Willkommen im Fußball“ für die jungen Menschen erreicht werden sollte, die das Angebot nutzten: ein echtes Ankommen in der Gesellschaft des Landes, in dem sie nun zu Hause sind. Frank Hinte, Geschäftsführer der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, fasst zusammen, man sei im Verlaufe der Projektarbeit von einer Willkommenskultur zu einer Bleibekultur gekommen. Diese entwickelte sich aus vielen Schritten, bei denen das Programm unterstützend wirkte.
Unter dem Motto „Freunde statt Fremde“ versammelt und unterstützt der SC Freiburg seit 2009 Aktionen und Projekte, die sich für die Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund einsetzen und sich gegen Diskriminierung wenden. Im Dezember 2015 liefen die Profi-Spieler des SC Freiburg erstmals im „Freunde statt Fremde“-Sondertrikot auf. Durch den Verkauf dieses Trikots kamen 40.000 Euro für die Arbeit mit Geflüchteten zusammen, erzählt Hanno Franke, Abteilungsleiter Marketing und Gesellschaftliches Engagement beim SC Freiburg, von der erfolgreichen Aktion zu Beginn des Bündnisses.
Aus dieser Idee entwickelte sich das „Freunde statt Fremde“-Training beim SC Freiburg. Die step stiftung brachte ab 2017 bestehende Fußballangebote ins Bündnis mit ein und entwickelte mit den Partner:innen neue Formate. Zu nennen sind da Projekte wie kick for refugees, kick for girls sowie die Mädchenfußballtage und das Kooperationsprojekt kick mobil. Ein Beispiel für die erwähnte breite Kooperation in Freiburg ist kick for boys, ein Angebot für geflüchtete Jungen an Schulen mit internationalen Vorbereitungsklassen, bei dem eng mit den jeweiligen Schulsozialarbeiter:innen zusammengearbeitet wurde. Fußball erfüllte innerhalb dieser Angebote gleich mehrere Funktionen. Die vielleicht wichtigste ist die große Anziehung des Sports auf junge Menschen. Der Fußball wird als Magnet genutzt, um Kinder und Jugendliche zusammenzubringen und Begegnung zu ermöglichen – denn die besten Projekte nutzen nichts, wenn niemand sie in Anspruch nimmt. Fußball aber fungiert als perfekter Türöffner.
Auf dem Feld lernen die Jugendlichen spielerisch Werte kennen, die weit über den Sport hinausgehen, wie Teambuilding, Fairness, Respekt, Toleranz und Solidarität – aber auch die Sprache. Da die Geflüchteten verschiedene Muttersprachen haben, liegt nichts näher, als sich beim Fußball auf Deutsch zu einigen. Yazan Hoshmi, der am „Freunde statt Fremde“-Training teilgenommen hat, erzählt, er habe Fußball von Kindesbeinen an geliebt. Die Möglichkeit, in der neuen Heimat endlich wieder zu trainieren, habe er begeistert angenommen, der Fußball habe ihm viel Freude gebracht. Auf dem Feld sei die Verständigung erst mit Händen und Füßen erfolgt. Die Trainer:innen banden Sprachübungen in die Fußballtrainings ein und ermöglichten den Teilnehmer:innen damit, spielerisch einen Zugang zur deutschen Sprache zu finden.
Über die große Bedeutung dieser Erfahrungen neben dem Sport sagt Hoshmi: „Es war mein erster Blick auf die Gesellschaft hier – und der war sehr positiv.“ Die Trainer:innen seien sehr geduldig gewesen, untereinander habe eine große Hilfsbereitschaft geherrscht. Die Erlebnisse im Bündnis haben den Blick der Jugendlichen auf Deutschland geprägt und ihnen von Anfang an positiv vermittelt, dass diese Gesellschaft Platz für sie hat – eine bedeutsame Erfahrung, aus der sich vertrauensvolle Beziehungen entwickelt haben, die Gegengewicht für negative Erlebnisse sein können.
Über das lokale „Willkommen im Fußball“-Bündnis eine Anlaufstelle für den Einstieg ins Training zu haben, ist ein erster Schritt – und Teil der erwähnten Willkommenskultur. Um daraus eine echte Bleibekultur zu entwickeln, sei der Übergang in lokale Sportvereine wichtig, erklärt Tobias Rauber, Leiter der Abteilung Gesellschaftliches Engagement beim SC Freiburg.
Das kann auch in der Rolle als Trainer:in sein, schließlich sollen die positiven Aspekte des gemeinsamen Erlebens auf dem Trainingsplatz nicht nach kurzer Zeit wieder abreißen. Hier sah man sich beim Sportclub auch als Vermittler:in. „Wir haben als SC Freiburg eine große Strahlkraft und wollen diese auch nutzen.“
Mit dieser Strahlkraft wirkt der Verein bei kick mobil gemeinsam mit der step stiftung. Der mit Spiel- und Sportmaterialien ausgestattete Kleinbus bietet Kindern und Jugendlichen auf Bolzplätzen in Freiburger Stadtteilen einen niedrigschwelligen Zugang zu Bewegung und ergänzt die Arbeit von Verbänden und Vereinen. Geschulte kick teamer:innen betreuen und begleiten das Angebot vor Ort. So entstehen an der Schnittstelle zwischen Fußball, Bildung, sozialem Lernen und Gesundheit Begegnungsräume für informelles Lernen.
Letztlich ging es im Bündnis immer darum, passgenaue Ideen für unterschiedliche Bedürfnisse zu erdenken, um so viele junge Menschen wie möglich zu erreichen. Einen besonderen Stellenwert hatten jene Projekte, die sich konkret an Mädchen und junge Frauen richteten. Ausgehend von der Frage, wieso diese seltener zu Trainings kamen wie gleichaltrige Jungen, wurde weiblichen Jugendlichen Fußball in speziellen emotionalen Schutzräumen ermöglicht. Auch die Kommunikation mit den Eltern spielte dabei eine wichtige Rolle, weil diese häufig in Bezug auf ihre Töchter ein erhöhtes Bedürfnis nach Abklärung haben. „Da ist es wichtig, in den Austausch zu kommen und Integration nicht als Einbahnstraße zu denken“, betonte Louisa Ramsaier, Bildungsreferentin der step stiftung. „Auch wir als Aufnahmegesellschaft sind gefragt, Rahmenbedingungen anzupassen.“
Ein großer Erfolg der Bündnispartner:innen ist sicher, mit welch konstruktiver Überzeugung sich die Beteiligten in den vergangenen sechs Jahren zusammengefunden haben. So steht am Ende der gemeinsamen Zeit des Freiburger „Willkommen im Fußball“-Bündnisses denn auch die geteilte Erkenntnis, dass die Zusammenarbeit weitergehen soll. Schließlich hat man sich im Projektzeitraum für Themen eingesetzt, die zur jeweils festen Überzeugung gehören – gesellschaftlichem Zusammenhalt fühlen sich ohnehin alle Beteiligten verpflichtet.
Gerade die COVID-19-Pandemie hat noch mal gezeigt, wie schnell vulnerable Gruppen in Krisen ausgeschlossen und abgehängt werden. Umso wichtiger ist es in einer solchen Situation, weiter auf Unterstützung setzen zu können. „Da müssen und wollen wir anpacken und da war die Arbeit im Bündnis eine gute Grundlage“, betont Hanno Franke vom SC Freiburg. Statt einem zufriedenen „Ende gut, alles gut“ halten sich die Partner:innen also an die Lösung, dass in jedem Ende auch ein neuer Anfang steckt. Eben eine Bleibekultur.
„Willkommen im Fußball“ ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, initiiert und gefördert von der DFL Stiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Weitere Informationen zum Programm gibt es hier sowie auf der Unterseite des Freiburger „Willkommen im Fußball“-Bündnisses.
Text: Mara Pfeiffer
Grafiken: ©DKJS/graphicrecording.cool